Leben nach Vorlage

Was sind negative Verhaltensmuster und wie erkenne ich sie?


Illsutration von einem Mann mit Angstzuständen

Verhaltensmuster. Eines dieser Buzzwords,  die man aktuell in Zeitschriften, Instagram oder sonstwo im Netz immer wieder präsentiert bekommt. Aber während mich dieser Schritt in den Mainstream in manchen Punkten ziemlich nervt (alles ist auf einmal toxisch, jeder hochsensibel – dabei sind das in vielen Fällen wirklich schwerwiegende Sachverhalte, und tatsächlich Betroffene verlieren unter der Masse an selbst diagnostizierten Fällen leicht die Glaubwürdigkeit), freue ich mich im Falle der Verhaltensmuster über dieses neue Bewusstsein – weil sie uns, im Gegensatz zur Hochsensibilität, wirklich ausnahmslos alle betreffen. 

Eher weniger freue ich mich über die generischen Versprechungen, die einem zusichern, “mit diesen 3 simplen Schritten“ negative Verhaltensmuster “in kürzester Zeit” loszuwerden. Kurzer Disclaimer: Das funktioniert nicht. Denn Verhaltensmuster sind etwas Komplexes, höchst Individuelles und oft unbewusst über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte Antrainiertes – und Perfektioniertes.

Was heißt das konkret?

In der Wissenschaft um die menschliche Psyche sind die Theorien und Annahmen zu Verhaltensmustern so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Kurz gesagt: Ein Verhaltensmuster liegt dann vor, wenn ein bestimmtes Ereignis oder eine Situation reflexartig eine Handlung oder ein Gefühl auslöst. Wichtig ist hier das Wort reflexartig, denn es beschreibt eine der wichtigsten Merkmale von Verhaltensmustern: sie werden meist unterbewusst abgespult. Und so wissen wir oft gar nicht, dass wir sie haben. 

Verhaltensmuster sind Bewältigungsstrategien, die wir uns angeeignet haben, um unseren Alltag und diverse Situationen zu meistern ohne jedes Mal bei Null anfangen zu müssen. Menschen sind evolutionär bedingt Gewohnheitstiere, denn simpel ausgedrückt ist unser Gehirn einen Effizienzmaschine, die an jeder möglichen Stelle Energie sparen will. Das schafft sie durch, genau, Gewohnheiten und antrainierte Prozesse.  

Solche automatisierten Prozesse können auch wirklich hilfreich sein: Beim Autofahren zum Beispiel, wenn man gefühlt 100 Dinge gleichzeitig macht, ohne darüber nachzudenken. Oder beim Tennisaufschlag, den man bis zum Gehtnichtmehr geübt und die Bewegungsabläufe perfektioniert hat. So etwas ist im Kontext der negativen Verhaltensmuster allerdings nicht gemeint. Vielmehr sind es die anfangs unschuldigen Diskussionen mit dem Freund, die jedes mal in einer totalen Katastrophe enden. Das verdammte „nie nein sagen können“, das uns seit Jahren verfolgt. Oder, dass genau eine Woche vor Monatsende das Geld immer knapp wird. Jedes. Einzelne. Mal. 

Meist schleppen wir diese Verhaltensmuster schon so lange mit uns herum, dass wir sie als gegebene Realität wahrnehmen.

Aber da kann ich doch nix für!

Jein. Der Ursprung von Verhaltensmustern ist ziemlich komplex und oft schwer nachzuvollziehen. Nicht selten werden die Weichen in der Kindheit gelegt. So können es Dynamiken sein, die wir innerhalb der Familie erlernt haben – oder Erfahrungen, die wir in jungen Jahren gemacht haben,  die uns und unser Verhalten maßgeblich prägen. Für diese frühe Gewöhnung an Verhaltensweisen können wir tatsächlich meist nichts. Aber: Letztendlich sind wir selbst es, die dieses Verhalten ausleben – und so tragen wir, wie jeder erwachsene Mensch, auch selbst die Verantwortung dafür.

Nehmen wir das Beispiel der Diskussion. Hört man ja oft: „Da hat er natürlich aus einer Mücke wieder einen Elefanten gemacht“. Zwar gehören zu einem Streit immer zwei, aber: Wenn über Jahre mit verschiedenen Partnern immer wieder dieselben Probleme auftreten – kann man dann wirklich behaupten es hätte rein gar nichts mit einem selbst zu tun? 

 Und schon wären wir beim Muster – und das hat meist einen tieferen Ursprung. Im Streit immer in die Defensive gehen, oder ihn sogar offensiv immer wieder anzuzetteln könnte ein unterbewusster Mechanismus sein, um keine Nähe zulassen zu müssen. Man sabotiert unwissend eigentlich intakte Beziehungen, um sich und dem anderen zu beweisen, dass sie sowieso nicht funktionieren. In dem Fall erzeugen wir unterbewusst ständig Unruhe, einfach, weil wir dem Frieden nicht trauen. Weil es einfacher ist zu sagen: “Ich wusste doch, dass das nicht klappen kann!” – als im Nachhinein womöglich enttäuscht zu werden.

Wenn über Jahre mit verschiedenen Partnern immer wieder dieselben Probleme auftreten – kann man dann wirklich behaupten es hätte rein gar nichts mit einem selbst zu tun? 

Das Verzwickte: Nur sehr selten kommen wir uns selbst dabei auf die Schliche. Meist schleppen wir diese Verhaltensmuster schon so lange mit uns herum, dass wir sie als gegebene Realität wahrnehmen. Man spürt nur den Leidensdruck, ist mit der Situation unglücklich, missversteht das aber als Bestätigung für das eigene Motiv. 

Was hier hilft, sind gezielte Fragen an sich selbst. Sich selbst bewusst beobachten, seine Gedanken, Worte und Taten unter die Lupe nehmen. Die vergangenen Wochen, Monate und Jahre reflektieren und sich fragen: Gibt es einen Zusammenhang bei mir? In welchen Momenten ging es mir nicht gut – und was ist davor passiert? War ich mit einer bestimmten Person oder einer bestimmten Situation konfrontiert?

Oft kann man mithilfe dieser Reflexionsfragen schon ein Muster, im wahrsten Sinne, erkennen. Und das wiederum ist der erste Schritt in die richtige Richtung, um es nachhaltig zu verändern. Wenn du wissen willst, wie das geht, schau in unserem nächsten Beitrag vorbei!

Und das kann sicher keinem schaden. Denn fest steht, dass jede(r) von uns von dem ein oder anderen negativen Verhaltensmuster beeinträchtigt oder sogar blockiert ist. Denn wir alle folgen Gewohnheiten – und die haben, so wie alles im Leben, oftmals zwei Seiten.